Diesmal ist die Stele der Toleranz kein himmelstrebendes Monument, man kann sie ohne Anstrengung in zwei Händen halten. Wo sie bald in der Rheingauschule stehen wird, sei noch nicht entschieden, es gebe mehrere Ideen, berichtet die Fachbereichsleiterin Michaela Hagen. Relevant sind ohnehin die Inhalte, und da hat das Gymnasium einiges vorzuweisen, um sie anschaulich zu machen.
Schüler sollen „Botschafter für Toleranz“ werden Vor allem mit einem Kunstprojekt ist der Gewinn der Stele für die Rheingauschule verbunden. Der Initiator und Künstler Karl-Martin Hartmann wünscht sich, dass die Schüler „Botschafter für die Toleranz werden“. Auch der Kultusminister Alexander Lorz (CDU) ist zur Übergabe gekommen. Dass diese in einem Kunstraum erfolgt, ist kein Zufall, denn dort präsentieren Jugendliche ihre Werke.
Die Arbeiten sollen alle bewegen, egal ob sie zum Grübeln oder zum Lächeln bringen oder traurig stimmen, erklärt eine Schülerin. Verschiedene Klassen und Kurse haben sich beteiligt. Auf einem Foto ist ein Galgenstrick mit einem Knoten in den Regenbogenfarben zu sehen – ein Bezug zur Verfolgung von Homosexuellen. Ein Graffito in einer bunten Schafherde fragt: „Jedes zehnte Schaf ist schwul. Siehst du es?“.
Der Umgang mit Menschen mit Behinderung ist ein weiterer Aspekt. Andere Bilder widmen sich der ethnischen Herkunft. So haben Gymnasiasten mit familiären Wurzeln in Indien und Pakistan sich selbst und Verwandte in Szene gesetzt. Vielfalt macht zudem das Foto einer Musiker-Familie augenfällig: Uniform und Lederhose sind genauso vertreten wie der Rockabilly- und der Heavy-Metal-Stil.
Die Schule hat zuvor auch Leute von außerhalb zu Gesprächen und Workshops eingeladen. „Toleranz braucht sichtbare Begegnungen“, lautet schließlich eine Erkenntnis, die die Kunstlehrerin Melissa Kissel auf einer Seite des Sockels für die Stele platziert hat. Außerdem benötige die Toleranz ein „offenes Herz“, Training sowie Grenzen – zum Beispiel, wenn sie als Deckmantel für Diskriminierung dienen soll.
Schule und Gesellschaft seien vielfältiger geworden, sagt Lars Jügler als stellvertretender Schulleiter, zugleich breite sich in der Gesellschaft „dumpfer Populismus“ aus. Er erinnert an das Leitbild der Rheingauschule mit dem Vorsatz, dass „weltoffen und tolerant miteinander gelernt wird“. Die Schule lebe ihre Ideale und „Freude an der Heimat und Weltoffenheit schließen sich keinesfalls aus“, findet Kultusminister Lorz.
Die von der Unesco verabschiedeten Prinzipien zur Toleranz sind ein zentrales Thema der Reden. Lorz geht auf den Umgang mit dem Toleranz-Begriff ein, der „schillernd und spannend“ sei und vom Eintreten für Religionsfreiheit ausgeht. Der Blick hat sich geweitet. Respekt ist ein Wert, den der Minister weiterhin damit in Verbindung setzt, dazu zitiert er: „Toleranz ist der Verdacht, dass der andere recht hat.“
Wiesbadener Tagblatt vom 21.2.2018
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