Aus der Rede zur Eröffnung: Der Begriff Vielfalt deutet klar auf eine Fülle verschiedener Ausprägungen hin, auf Verschiedenartigkeit und Mannigfaltigkeit. Wenn man heute auf die Welt schaut, dann ist sie eine, die von Vielfalt und Pluralisierung geprägt ist. Gründe hierfür sind bekanntermaßen die Globalisierung, Migration und Fluchtbewegungen. Die Unesco vertritt dazu die Haltung „Vielfalt ist Reichtum“. Doch die grundsätzliche Haltung gegenüber Vielfalt in der Gesellschaft oszilliert zwischen zwei gegensätzlichen Polen, es gibt Menschen, für die bedeutet Vielfalt Bereicherung und sie begegnen ihr in Offenheit, andere sehen in ihr eine Bedrohung und sie verschließen sich und grenzen sich ab. Schule steht hier im Auftrag der interkulturellen Bildung, einer Bildung, die Vielfalt schätzt und hilft, Potenziale zu entfalten. Interkulturelle Bildung wurde so schon vor Jahrzehnten als Querschnittsaufgabe von Schule definiert. Auf der Suche nach einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Thema bin ich auf Christoph Wulf gestoßen, der sich seit mehr als 30 Jahren mit pädagogischer und polyzentrischer Anthropologie beschäftigt. Er ist neben seiner Lehrtätigkeit auch Vizepräsident der UNESCO und macht Aussagen über den Menschen, der in einer globalisierten und durch kulturelle Diversität charakterisierten Welt lebt.
Wulf sagt: „Ohne das Fremde kann der Mensch nicht leben“, was schon Rimbaud mit dem wunderbaren Satz: „Ich ist ein Anderer“ ausgedrückt hat. So wird das Ich also nur herausgebildet, wenn es sich mit einem Anderen auseinandersetzt. In unserer globalisierten, von kultureller Diversität geprägten Welt wird die Auseinandersetzung intensiviert, Verunsicherung ist eine der Folgen, Selbstreflexion und Entwicklung sind andere Folgen. Das Ausmaß des Nachdenkens über sich selbst und den Anderen, die erforderliche Reflexivität wächst. Viele alltägliche Selbstverständlichkeiten sind fragwürdig geworden. In diesem Prozess der Auseinandersetzung zeigt sich, dass die Individualität des Menschen keinen gleichbleibenden Kern hat. Das Selbstverständnis bildet und verändert sich über das Leben mit Anderen, manchmal werden Widersprüche aufgelöst, und am Ende wird dem Ich-Potential Raum zur Entfaltung gegeben.
Was tragen wir als Schule dazu bei? An unserer Schule zeigt sich – neben dem täglichen Unterricht innerhalb von Lerngruppen, die kulturell vielfältig geprägt sind- interkulturelle Bildung ganz besonders in dem Afrika-Projekt. In den Reisen nach Kenia wird eine völlig andere Kultur für Schüler intensiv und direkt erfahrbar. Dieses Erleben bietet ein riesiges Potential für die Persönlichkeitsentwicklung. Schüleraustausch mit England, Frankreich und Spanien bringt diese Erfahrungen im europäischen Raum. Verschiedene Projekte, wie das Schlau-Projekt der Aids-Hilfe Wiesbaden, wo über sexuelle Vielfalt gesprochen wird sowie das Rassismus-Projekt sind ergänzende Teile von unserem Unterricht.
Und nun wieder zurück zu Herrn Wulf, dem Anthropologen, der in seinem Werk „Die Anthropologie kultureller Vielfalt“ die Wichtigkeit des Faches Kunst auf vielen Seiten herausstellt. Das Fach Kunst trägt nach seinen Forschungen einen erheblichen Teil zur interkulturellen Bildung bei, es wird hier deutlich, wie wichtig der Umgang mit Kunst für die Erfahrung des Anderen und Fremden ist. Das Eintauchen in Bilder bietet ganz besonders viel Raum und das Antworten in eigenen Bildern erschafft Neues, die das Fremde in irgendeiner Weise beinhalten. Es geht darum im Umgang mit Kunstwerken Erfahrungen des Fremden zu machen. Oft Unsicherheit, Komplexität und Vieldeutigkeit auszuhalten ohne Eindeutigkeit herzustellen. Somit wird Kunst als Fach im Hinblick auf interkulturelle Kompetenz besonders wichtig. Ein bekanntes Beispiel aus der Kunstgeschichte ist das Werk von Picasso und ganz allgemein die Malerei zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die afrikanische Kunst einbezog und zu neuen Bildern geführt hat; Die Entstehung des Jazz oder des Reggae in der Musik sind andere Beispiele dafür.
Die Fotografien der Q2 Kunstkurse, die Graffitis der 8B, die Performance von Mareike Buchmann, die Virus-Performance des LK’s Q4, die Beiträge der open-stage haben uns einen vielfältigen Abend kreiert. Die Kunstfachschaft bedankt sich bei allen Helfern und vor allem dem Förderverein für seine Unterstützung.
Die Fotos zeigen Einblicke in die kunstRAUM Vernissage zum Thema „Vielfalt“ am 22. Mai 2017.
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