Start Archiv - Rund um die Schule Gedenkstättenfahrt nach Krakau und Auschwitz/Oświęcim 2013
Gedenkstättenfahrt nach Krakau und Auschwitz/Oświęcim 2013 PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von: Anita Müller   
Donnerstag, den 23. Januar 2014 um 10:21 Uhr

Zwischen Zukunft und Vergangenheit
– Integration und Vernichtung
Bericht von einer Studienfahrt nach Krakau und Auschwitz/Oświęcim  2013

Bereits seit mehreren Jahren existiert eine gut funktionierende Kooperation zwischen der Rheingauschule und der freien Jugendbildungsstätte BASA e.V. Auch in diesem Jahr bestand wieder für acht Schülerinnen und Schüler des Leistungskurses Geschichte die Möglichkeit sich der besonderen Herausforderung des Lernens am „verunsichernden Ort“ Auschwitz zu stellen.schreiben

Die Schülerin Anita Müller hielt ihre Eindrücke fest:
Am Abend des 3. Dezembers 2013 flogen wir, das heißt acht Schülerinnen und Schüler unserer Schule mit Herrn Schunk und acht Schülerinnen und Schüler der Philip– Reis – Schule, deren Lehrer sowie den zwei Leitern des Seminares Dirk Springenberg und Rainer Hartel der BASA e.V. nach Polen.
Müde aber erwartungsvoll ziehen wir unsere Koffer durch die kleine Halle des Kattowicer Flughafens bei Krakau in die kühle Nacht.
Vor uns liegen eineinhalb Tage Krakau und fast vier Tage Oshpitzin – Oświęcim, oder wie wir es kennen: Auschwitz.
Wir lernen die bezaubernde Stadt Krakau kennen, erfahren etwas über ihre multikulturelle Vergangenheit, schließen erste Kontakte, genießen diese gewisse Leichtigkeit. Leichtigkeit, die man besonders fühlt, weil wir wissen, dass sie nicht, zumindest nicht bedingungslos erhalten bleiben kann und wird.
In Oświęcim übernachten wir in der Jugendbegegnungsstätte, einem Haus mit großen Fenstern, hellen Räumen und hölzernen Dachbalken.
Von dort besuchen wir auch das Konzentrationslager Auschwitz, was aus einem Stammlager, dem Vernichtungslager Auschwitz -  Birkenau und mehreren Nebenlagern, wie Monowice, dem Standort der IG Farben Werke, und ungefähr 50 weiteren Außenlagern in der Region, bestand. Wir schauen uns lediglich das Stammlager, nach persönlichem Interesse die Ausstellungen dort und Birkenau an.
Wir gehen durch das Tor von Auschwitz-Birkenau, an den Schienen entlang, unter unseren Füßen ein Stück Weltgeschichte, das Blut, die Tränen und Hoffnungen mehrerer hunderttausend Menschen...und für uns bekommt Geschichte eine völlig neue Bedeutung, weil sich unser Blick ändert. Auschwitz, das sind plötzlich nicht mehr 1,1 Millionen ermordete Menschen zwischen Mai 1940 und Januar 1945, es werden Einzelschicksale.

Geschichte besteht nicht mehr nur aus Fakten, es sind Menschen.

Geschichte erfordert Mut, Mut gerade diese Einzelschicksale zu sehen.

Mut „empathisch zu sein, in einem Bereich, in dem die Empathie einem so viel abverlangt“, wie die Autorin Katarina Bader treffend formuliert.

Es regnet, als wir am Vormittag des 9. Dezembers am Flughafen in Kattowice ankommen. Es ist derselbe Flughafen, trotzdem ist etwas anders. Hinter uns liegt eine intensive, emotionale und lehrreiche Zeit. Wir haben viel mitgenommen, aber es ist auch, als bliebe von uns etwas dort.
Das Erlebte und Erfahrene wird uns wohl auch nach unserer Rückkehr nach Deutschland noch beschäftigen.

Der französische Autor Stephan Hesselt schreibt in seinem Buch „Edgar Morin – Wege der Hoffnung“ Folgendes: „Nun erhebt sich in Europa, auch in Frankreich, wieder ein beängstigender Fanatismus der Ausgrenzung und Ausweisung. Er hat, wie jeder Fanatismus zwei geistige Wurzeln. Die eine ist der Fundamentalismus, das heißt die Verteufelung aller, die anders sind und anders denken und die deshalb abgelehnt werden, gegebenenfalls bis zur Vernichtung.
Die zweite ist die Reduktion des anderen auf die (tatsächliche oder eingebildete) dunkelste Seite seiner Persönlichkeit.
Dagegen richten allein Appelle an die Vernunft nichts aus. Über sie hinaus brauchen wir, als Ergebnis einer wirksamen Bildungsreform, die Fähigkeit zu einem vernetzten Denken, mit dem wir die Gesamtheit der verschiedenen, auch ambivalenten Aspekte eines Phänomens, einer Bevölkerung, einer Person -  auch der eigenen -  zu erkennen vermögen.“
Irgendwann ist man erschüttert, erschüttert von Geschichten und Einzelschicksalen, einfach weil es mit unseren Werten und Moralvorstellungen nicht erfassbar ist, was damals geschah, was Menschen Menschen antun können.
Auch diese Erschütterung bleibt einigen erhalten, sie begleitet uns und das ist gut, Erschütterung ist gut, nicht immer, aber ab und zu.
Sie hält uns immer wieder vor Augen, was passieren kann, stellt uns immer wieder die Frage: „Wo würdest DU stehen?“
Sie schlägt die Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft, denn Geschichte ist nicht einfach Vergangenheit und vorbei, Geschichte ist auch Gegenwart und Zukunft.

Anita Müller (Leistungskurs Geschichte)