Als Karl-Heinz Drollinger Anfang Februar 2002 sein Amt als neuer Leiter des Rheingaugymnasiums antrat, hatte sich der Rheingau-Taunus-Kreistag gerade für die Einrichtung einer Oberstufe am Eltviller Gymnasium ausgesprochen. Drollinger warnte vor einer „Aufblähung“ des gymnasialen Bereichs im Rheingau. Die lange Zeit erbittert geführten Auseinandersetzungen um die neue Oberstufe im oberen Rheingau sind inzwischen vorbei und beschränken sich höchstens noch auf kleine gegenseitige Seitenhiebe.
In Drollingers Dienstzeit ist zu den drei Gymnasien Rheingauschule, St. Ursula und Eltville noch das Oberstufengymnasium auf dem Hansenberg dazu gekommen. Und der Rheingau mit seinem traditionell dreigliedrigen Schulsystem hat ohne größere Proteste auch die neue Integrierte Gesamtschule in Rüdesheim verkraftet. Für ein Gebiet mit rund 64 000 Einwohnern ist ein Angebot mit vier Gymnasien, zwei Realschulen und einer IGS beachtlich.
„Offene Schule“, die auf Schülerbedürfnisse eingeht Karl-Heinz Drollinger verabschiedet sich am 15. Juli von der Schulgemeinde. Auf seiner Einladungskarte hat er einen Rückspiegel abgebildet, in den sich der „Geist des Rheingaus“ drängt, der für das Selbstbewusstsein der mehr als 170 Jahre alten Schule steht, aber auch für den Anspruch, neue Wege zu gehen. Einen neuen Weg ist Drollinger anders als St. Ursula und Eltville mit dem Festhalten an der achtjährigen Gymnasialzeit gegangen. Darin sieht er nicht nur ein Alleinstellungsmerkmal im Wettbewerb der Schulen, er ist auch inhaltlich ein überzeugter Verfechter von G8. Die Schule habe bewiesen, dass sich G8 für die Schüler verträglich organisieren lasse. Zudem gebe es so auch eine höhere Lehrerzuweisung. Der Einstieg in den Nachmittagsunterricht sei mit G8 besser zu schaffen. Der 65-Jährige weiß freilich nicht, ob sein Nachfolger und das Kollegium den eingeschlagenen Weg fortsetzen oder doch wieder lieber zu G9 zurückkehren.
Zum „Geist des Rheingaus“ gehöre es auch, dass das Rheingaugymnasium eine „offene Schule“ sei, die flexibel auf die Bedürfnisse der Schüler eingehe. Mittlerweile seien mit den Kindern in der Integrationsklasse mehr als 40 Nationen vertreten.
Das Gymnasium hat 113 Abiturienten in diesem Schuljahr verabschiedet. Im neuen Schuljahr werden vier Eingangsklassen mit 93 Schülern gebildet, im G9-Gymnasium St. Ursula liegen 104 Anmeldungen vor. Eine Fünfzügigkeit wie vor ein paar Jahren sei eigentlich zu groß für die Schule, die bei zurückgehenden Schülerzahlen auch Dreizügigkeit verkraften könne, erklärt der Oberstudiendirektor.
Während Drollingers Amtszeit in Geisenheim ist die Oberstufe in das Westgebäude verlegt worden, sind neue Klassenräume im Altbau entstanden, zudem Mensa und Kleinsportanlage. Das Problem im Umfeld der Dr.-Schramm-Straße sei das offene Gelände, auf dem immer Verwüstungen und Müllablagerungen zu beklagen seien.
Das Schulprofil sei geschärft worden mit Spanisch als zweiter oder dritter Fremdsprache ab Klasse 6, dem einzigen Sport-Leistungskurs im Rheingau oder der Stärkung der Naturwissenschaften durch die „Jugend forscht AG“, deren Teilnehmer zweimal den Schulpreis des Wettbewerbs gewonnen haben. Stolz ist Drollinger auf die Ganztagsklasse und die pädagogische Mittagsbetreuung mit umfangreichen AGs und Förderangeboten. Bewährt habe sich die Einführung einer eigenen Klasse für Schüler, die nach der Realschule in die gymnasiale Oberstufe wechseln.
Es sei ein schöner Beruf, sagt der Oberstudiendirektor im Rückblick, der selbst die Fächer Deutsch sowie Politik und Wirtschaft unterrichtet hat. Aber er koste auch viel Kraft. Deshalb freut er sich aufs Wandern in den Dolomiten und auf Urlaub außerhalb der Ferien oder darauf, mit Freunden und ehemaligen Kollegen ein Musical zu schreiben. Zudem warten zwei Enkelkinder und ein arbeitsintensiver Garten auf ihn. Die Biene im Familienwappen gebe Grund zur Hoffnung, dass er auch während der Pension aktiv bleibe.
Wiesbadener Kurier vom 1.17.2016
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