Ein Kunstraum einmal anders – große Bühne für ein großes Thema: „Überwachung und Kontrolle“. Die Schülerinnen und Schüler des Leistungskurses (LK) Kunst und die beiden Kunst-Grundkurse (GK) der Rheingauschule haben sich mit Unterstützung ihrer Fachlehrer Melissa Kissel, Juliane Dörr und Boris Sobotta mit einem schwerwiegenden Thema und dessen Problematik befasst. Umgesetzt in über 50 Fotografien präsentierten die Schüler ihre Ergebnisse bei einer Vernissage, eingebettet in literarische und musikalische Einblicke zum Thema. Gleichzeitig läutete die Kunstfachschaft den ersten Abend der neuen Veranstaltungsreihe „KunstRAUM“ ein. Damit wolle man einen neuen Ort öffnen für andere Künstler und andere Fachbereiche, wies Melissa Kissel auf die neue Form der Präsentation hin.
Schon am ersten Abend erhielten die Gäste einen Einblick in das Konzept, das visuelle Kunst mit darstellender Kunst und Musik zum gleichen Thema verknüpft. Durch Analysen und Arbeiten aus dem Unterricht des LK Politik und Wirtschaft unter Lehrer Björn Steffen, erhielt die künstlerische Auseinandersetzung unter dem Titel „Überwachung und Kontrolle“ eine erweiterte Bedeutung. Zunächst sei es etwas schwierig gewesen einen passenden Einstieg zu finden, ließen die Kunstfachlehrer wissen. Doch der Besuch einer Ausstellung zum Thema in Karlsruhe brachte die Ideenschmiede unter den Schülern ins Rollen. „Zuerst haben wir alle nur an Überwachungskameras und Handys gedacht, aber dann kamen völlig andere Gedanken auf“, weiß Oberstufenschülerin Michelle Hinrichsen zu berichten.
Thema entwickelt eigene Dynamik Es hätten sich immer unterschiedlichere Aspekte entwickelt und verschiedene Blickrichtungen eröffnet. „Wir haben viel nachgedacht über Begriffe wie Selbstkontrolle oder etwas kontrollieren wollen.“ Macht, Opferhaltung und Verlust der Freiheit, alles wurde ausgeleuchtet, das Thema entwickelte eine eigene Dynamik und ließ die Schüler begeistert damit experimentieren. Entstanden sind sehr emotionale, fotografische Arbeiten, bei der Vernissage von den Schülern selbst interpretiert. Das „Ziel erfasst“ hat Björn Lemke mit seiner Fotografie als Blick von oben über einen Platz: „Da werden alle Menschen überwacht, nicht nur der eine, der gemeint ist.“ Auch das „Fenster zum Hof“ ist zur Beobachtung freigegeben. Ein binäres Zahlensystem auf einem Gesichtsfeld, das nur ein Auge zeigt, bedeutet für Miriam Köppler die Kontrolle des Menschen durch das Digitale. Mit „Of course I am fine“ drückt Medea Brand ein düsteres Thema der Selbstkontrolle aus. Die häusliche Gewalt an Frauen, verschleiert und verheimlicht durch sie selbst, überwacht von ihren Peinigern. Dem Thema eine andere Richtung gibt Michelle Hinrichsen. Mit ihrer Fotografie „Aber ein Leben lang...“ wird Kritik an den heutigen Erziehungsmethoden überfürsorglicher Eltern und das Phänomen der „Helikopter-Eltern“ als zwanghafte Überwachung bildhaft veranschaulicht. Und doch: „Die Gedanken sind frei“; die Reinterpretation des Volksliedes von Hoffmann von Fallersleben, mit eigenen Liedtexten des Musikers und ehemaligen Rheingauschülers Aaron Idstein, in Anlehnung an Textauszüge von Schriftstellern wie Dave Eggers, Juli Zeh und Stefan Zweig, vorgetragen von Stefan Graf, Schauspieler am Staatstheater Wiesbaden, ergänzte die bildgewordenen Reflexionen aufs Beste und machte den Abend zu einer kreativen Veranstaltung mit viel Zündstoff.
Wiesbadener Kurier vom 15.6.2015
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