Bisher ist noch keiner der 28 Fünftklässler abgesprungen, alle wollen weiter dabeibleiben, berichtet Silke Trzcinski. Sie unterrichtet Mathematik und Musik und ist zuständig für die neue Ganztagsklasse, mit der die Rheingauschule seit September am Start ist. Die Kinder bleiben dabei, auch wenn sie im fünften und sechsten Schuljahr von Montag bis Donnerstag von 7.55 bis 16 Uhr in der Schule sind, während die Parallelklassen – trotz G8-Konzepts der Rheingauschule – in Jahrgang fünf nachmittags ganz frei haben und in Jahrgang sechs nur an eineinhalb Nachmittagen wöchentlich länger ranmüssen. Nur am Freitag ist für die Ganztagsschüler ab 13 Uhr Schluss. Doch wenn die Elfjährigen nach Hause kommen, sind die schriftlichen Arbeiten erledigt.
Die Eltern dürfen freilich nicht erwarten, dass die Kinder zuhause überhaupt nichts mehr für die Schule tun müssen. Vokabellernen, Vorbereitung auf Klassenarbeiten und das Lesen von Lektüre, die im Unterricht behandelt wird, müssen nach wie vor sein.
Das neue Angebot sieht Schulleiter Karl-Heinz Drollinger als „integralen Bestandteil des G8-Konzepts“. Die Rheingauschule ist das einzige Gymnasium im Rheingau, das in nur acht Jahren zum Abitur führt. Daran wird sich auch im kommenden Schuljahr nichts ändern. Das G8-Konzept hat dem Geisenheimer Gymnasium mit 920 Schülern einen Rückgang bei den Neuanmeldungen beschert. Aber mit 102 Schülern in vier fünften Klassen könne die Schule gut leben, betont Drollinger. Er ist nach wie vor ein überzeugter Verfechter einer kürzeren Gymnasialzeit und sieht in diesem Angebot Vielfalt und Wettbewerb in der Rheingauer Schullandschaft gewährleistet.
Die Ganztagsklasse sei keineswegs für schwächere Schüler gedacht, erklärt Drollinger. Sie soll zum einen ein Angebot an berufstätige Eltern sein, die die Sicherheit haben, dass ihre Kinder in der Schule zusätzlich zum Fachunterricht „Lernzeiten“ und Vertiefungsphasen haben, in denen sie von einer Fachlehrkraft betreut werden. „Hausaufgaben“ im klassischen Sinne gebe es nicht, erläutern Silke Trzcinski und Karl-Heinz Drollinger.
Das Rheingaugymnasium erhält für die Ganztagsklasse keine zusätzliche Lehrerzuweisung, nutzt aber als G8-Schule die bessere Personalkapazität für den Nachmittag. Grundsätzlich werde ohnehin kein Weg daran vorbeigehen, dass die Zuwendung am Nachmittag noch weiter ausgebaut werden müsse.
Dienstag- und mittwochnachmittags können sich die Kinder für ein Angebot aus den Arbeitsgemeinschaften der Schule entscheiden, zum Beispiel Hip Hop, Chor, Jugend forscht oder eine Mitarbeit in der Schülerzeitung Flaschenpost. Diese Zeit könne dann durchaus für ein Hobby genutzt werden, so Drollinger, sie zähle aber zur Unterrichtszeit. Es sei auch möglich, in diese Stunden Unterricht der Musikschule zu legen. Sport stehe montagnachmittags auf dem Stundenplan, Bewegung ist zudem am Donnerstagnachmittag angesagt. Die Lernzeiten am Nachmittag sollen dazu genutzt werden, selbstorganisiertes Lernen zu fördern. Seit den Herbstferien ist außer einem Fachlehrer auch Jannis Bachem, der ein Freiwilliges Soziales Jahr absolviert, bei der Betreuung im Einsatz. Insgesamt wird auf eine „Rhythmisierung“ des Schultags mit unterschiedlichen Typen von Arbeits- und Bewegungsphasen geachtet, hatte Silke Trzcinski, die Leiterin der Steuerungsgruppe, bei der Vorstellung des Modells berichtet.
Wiesbadener Kurier vom 23.12.2015
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