„Yes, we can, Abi 2015!!“ – Groß prangen die meist auf Bettlaken geschriebenen Anfeuerungs- und Durchhalteparolen an den Zäunen rund um die Rheingauschule. Überall in Hessen haben die schriftlichen Abiturprüfungen begonnen. Während die jungen Absolventen über ihrer Englisch-Abschlussprüfung brüten, haben sich die älteren Semester zum ganz besonderen Klassentreffen vor dem Schulgebäude versammelt. Vor 50 Jahren haben sie ebenfalls hinter diesen Mauern gebangt und geschwitzt, ganz ohne plakative Unterstützung am Schulzaun.
Das war 1965 – lang, lang ist’s her, doch vieles ist noch gut in Erinnerung. Am 13. März 1965 wurden den Schülern der 13S (Sprachen) und 13N (Naturwissenschaften) die Reifezeugnisse ausgehändigt. Was davor lag, war ein genauso gewaltiger Druck wie heute, können alle bestätigen. Vor allem habe man nicht erfahren, wer in welchem Fach geprüft würde. „Einer sollte in Religion drankommen, doch niemand wusste wer“, lacht ein Ehemaliger. „Im Einzelgespräch mit dem Kaplan habe ich es dann herausgefunden, wer es sein sollte und derjenige ist schier in Ohnmacht gefallen.“
Nur wenige Mädchen dabei 35 Abiturienten waren es damals an der Rheingauschule, 130 sind es heute. 1965 überwog der männliche Anteil der Schüler gewaltig. Nur drei Mädchen waren es in der Sprachler-Klasse, Ingrid Lorenz, damals Reitz, war in der N-Klasse die einzige weibliche Vertreterin. „Ich habe mich dort sehr wohlgefühlt“, sagt sie und die „Jungs“ werfen sofort ein: „Wir haben euch ja auch bestens behandelt.“
„Die Damen waren das belebende Element“, kommt es süffisant vom ehemaligen Klassenleiter der 13N, Karl- Heinz Hecker. Auch für ihn ist das Wiedersehen mit seinen Schützlingen eine große Freude. Genauso wie für Ida Ursula Kugler, die damalige Bio- und Chemielehrerin, die sogar im hohen Alter von 95 Jahren extra angereist ist.
Vor zehn Jahren, zum 40., haben sich schon einmal alle getroffen, die 50 haben sie jetzt geschafft. Das sei schon eine enorme Zahl, bemerken die Ehemaligen, die von zwei Mädchen aus der 6. Klasse neugierig beäugt werden. Die beiden können es gar nicht fassen, dass man hier vor 50 Jahren Abitur gemacht hat. Eine Abi-Zeitung von besagtem Jahr, „Die Penne(r)“, wird herumgereicht und alle schwelgen in Erinnerungen.
Auch der derzeitige Schulleiter, Karl-Heinz Drollinger, eilt herbei zur Begrüßung. Freuen darf er sich über eine Spende von Rudolf Engler, anno 1965 Abiturient und bis vor kurzem Dozent an der Bergischen Universität Wuppertal. Ein Chemie-Analyse-Spektrometer bereichert ab sofort den Physik- und Chemieunterricht. Damit hat Rudolf Engler als Auftakt zum Abitreffen vor seinen ehemaligen Klassenkameraden im Chemiesaal experimentiert und eine Schnellanalyse verschiedener Teesorten gemacht.
Führung durch die Schule Eine Führung durch das Schulgebäude schließt sich an. Nach den obligatorischen Fotoaufnahmen, die immer wieder von angeregten „Schwätzchen“ unterbrochen werden, geht es zum Mittagessen in die Mensa. „So was gab es damals auch noch nicht.“ Eine Führung durch die Kellerei der Staatsweingüter und der Spaziergang nach Hallgarten mit Einkehr machen das Treffen zum Abi-Jubiläum perfekt. Was wohl in zehn Jahren sein wird?
Wiesbadener Kurier vom 14.3.2015 (mit Foto)
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