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Nach dem Abitur an der Rheingauschule in Geisenheim im Sommer 2012 stand für mich fest, dass ich ein Jahr im Ausland verbringen will, um dort in sozialen Projekten zu arbeiten. Als ich dann eine Zusage vom „Baumhaus-Projekt“ für einen Freiwilligendienst im Rahmen des „weltwärts“-Programms“ des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung bekam, hieß es Koffer packen und los ins Abenteuer. Seit mehr als fünf Monaten wohne ich nun in einem kleinen Dorf mit etwa 30 Häusern im abgelegenen Nujiang-Tal in Südwestchina.
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An der dörflichen Grundschule unterrichte ich die ersten und zweiten Klassen in Englisch und Kunst. Die Kinder stammen alle aus den umliegenden Bergdörfern, die nur durch lange Fußmärsche erreichbar sind. Sie können weder lesen noch schreiben, viele haben keinerlei Schulmaterial und oft verbringen sie den Unterricht damit, sich gegenseitig die Haare zu lausen.
Trotz der schweren Bedingungen gibt es keine schönere Belohnung, als ihre strahlenden Kindergesichter. An den Wochenenden wandern wir Freiwilligen in die Berge und leiten dort soziale Projekte. Wir bringen den Kindern Zähneputzen bei und verteilen Zahnbürsten, da sich viele Kinder noch nie in ihrem Leben die Zähne geputzt haben, die nun völlig braun und verfault sind.
In Kooperation mit der lokalen Regierung haben wir in den Städten Kleidercontainer aufgestellt, die gesammelten Altkleider werden dann in den Dörfern verteilt. Die Menschen sind unglaublich herzlich, streichen über meine „gelben“ Haare und reden in unverständlichen Worten auf uns ein. Während in unserer Schule keiner Englisch spricht und wir uns nur mit einigen wenigen Worten Chinesisch verständigen können, sprechen die Menschen in den Dörfern nur ihre Minderheitensprachen.
Es ist eine wundervolle Erfahrung, sich mithilfe von Händen und Füßen zu verständigen und nach und nach diese fremde Sprache entschlüsseln zu lernen. So gewöhnt man sich an einen Alltag fernab von dem Leben in Deutschland. Wir schlafen auf Holzbrettern ohne Matratzen, über denen die Wäsche zum Trocknen hängt und von einer Dusche oder einer Wasserspülung an den Toiletten kann man oft nur träumen, geschweige denn von einer Tür. Doch auch an vierbeinige Mitbewohner alias Heuschrecken lässt es sich gewöhnen, schließlich gehören sie hier neben Hund, Schweineschwanz und Hühnerfuß fest auf den Speiseplan.
Wiesbadener Kurier vom 22.2.2013
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