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Benefizkonzert für die Geisenheimer Gymnasien PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von: Rheingau Echo   
Freitag, den 17. August 2012 um 05:55 Uhr

Güttler-Auftritt als Jubiläumsgeschenk / 15.000 Euro für Fachbereich Musik

Er gehört zu den Männern der ersten Stunde. Schon vor 25 Jahren zählte Ludwig Güttler zu den Künstlern, die das Rheingau Musik Festival bei seinen ersten Gehversuchen begleiteten. Seitdem ist der Startrompeter Stammgast beim Festival, seine Konzerte sind alljährlich Höhepunkte im RMF-Programm. Gleichwohl war der Auftritt im Jubiläumsjahr des RMF ein besonderer.

"Nach der nächsten Zugabe wünschen wir Ihnen einen schönen Nachhauseweg". Ludwig Güttler, der sonst nur seine Trompete sprechen lässt, wandte sich am vorletzten Dienstag direkt an das Publikum in der Wiesbadener Lutherkirche. Dort hatten Güttler und sein musikalischer Partner, der Organist Friedrich Kircheis bereits drei Zugaben gegeben, ohne dass die Zuhörer Anstalten machten, die Kirche zu verlassen.

Mit den Künstlern und den Konzertbesuchern freuten sich drei Männer ganz besonders: Zunächst RMF-Intendant Michael Herrmann, der an diesem Abend keine Gage zahlen musste, weil die Künstler aus Anlass des 25-jährigen Bestehens des Rheingau Musik Festival unentgeltlich spielten. Und dann noch die beiden Leiter der Geisenheimer Gymnasien, Karl-Heinz Drollinger von der Rheingauschule und Dr. Hermann-Josef Schlicht von der St. Ursula-Schule. Denn Michael Herrmann hatte das Konzert zu einem Benefizkonzert für den Fachbereich Musik der Rheingauschule und der St. Ursula-Schule in Geisenheim erklärt.

Als Herrmann bei seiner Begrüßung die Summe von 15.000 Euro nannte, die das Festival zu gleichen Teilen an die Schulen spenden wolle, fühlte sich Drollinger "vom Betrag fast erschlagen". Dennoch mangelt es Drollinger nicht an Ideen für die Verwendung des warmen Geldregens: Er wolle jetzt nicht über die verkürzte Schulzeit G8 klagen, aber an der Rheingauschule genieße die musikalische Ausbildung der Kinder einen hohen Stellenwert. "An einer Schule mit Schülern aus 40 Nationen ist das sehr wichtig für die Sozialisation in der Schulgemeinschaft". Karl-Heinz Drollinger nannte beispielhaft Streichergruppen, Bläsergruppen, Chöre und die Big Band, um dann mit zwei besonderen Trümpfen zur Musiktradition seiner Schule zu punkten: Der weltberühmte Countertenor Andreas Scholl und seine Schwester, die Sopranistin Elisabeth Scholl sind beides Rheingauschüler und haben in der Vergangenheit immer wieder Konzerte an ihrer ehemaligen Schule gegeben.

Auch Dr. Schlicht sicherte eine sinnvolle Verwendung der Mittel zu. So gebe es an der St. Ursula-Schule eine Musikklasse, für die neue Instrumente angeschafft werden sollen. Darüber hinaus würden Exkursionen zu Konzerten und Proben unternommen. Das Spendengeld soll auch dafür verwendet werden, besonders begabte Schüler durch Förderunterricht auf die Aufnahmeprüfungen an Musikhochschulen vorzubereiten.

Hermann-Josef Schlicht betonte auch die Kooperation des privaten katholischen Gymnasiums mit der staatlichen Rheingauschule: Gibt es doch einen gemeinsamen Musikleistungskurs der beiden Gymnasien. Dieser arbeitet im Rahmen des Projekts "Junge Festivalmanager" mit dem Rheingau Musik Festival zusammen. 13 Schülerinnen und Schüler dieses Musik-Leistungskurses haben das am kommenden Sonntag stattfindende Konzert der MozArt Group - gemeinsam mit den Profis des Festivalbüros - geplant und organisieren die Veranstaltung weitgehend in Eigenregie.

Bewährtes Duo

Nach den einleitenden Reden kamen die Künstler zum Zuge. Güttler ist mittlerweile fast 70 Jahre alt. Er hat sich neben seinem Ruf als Trompeter und Dirigent auch beim Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche einen Nahmen gemacht. Musikalisch gilt er als einer der weltweit führenden Trompeten-Virtuosen, als Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft zur Förderung des Wiederaufbaus der Frauenkirche kämpfte er unermüdlich für die Kirche. Legendär sind seine Weihnachtskonzerte vor der Ruine, teilweise bei beißender Kälte im dichten Schneegestöber. Güttler ist Träger einer Vielzahl von Auszeichnungen für sein gesellschaftliches Engagement. Insofern passt es ins Bild, dass er an diesem Abend ohne Gage auftrat.

Wie Güttler hat auch der drei Jahre ältere Organist Friedrich Kircheis seine musikalische Heimat in Dresden. Die beiden Musikprofessoren spielen schon seit mehr als 30 Jahren zusammen. Kein Wunder also, dass sie sich blind verstehen - was besonders dann von Vorteil ist, wenn sie wie in Wiesbaden mit seinem beengten Platz für den Organisten weit voneinander agieren müssen.

Ihre Klangkombination aus Trompete und Orgel verfehlte auch in der Lutherkirche nicht ihren Reiz. Der strahlende Klang der Blechblasinstrumente Trompete und Jagdhorn verschmolz mit den kräftigen Tönen der Klais-Orgel, deren Klangqualität in der besonderen Raumakustik der evangelischen Kirche hervorragend zur Geltung kam.

Güttler und Kircheis hatten in Wiesbaden vor allem Stücke aus dem 18. Jahrhundert in ihrem Repertoire. Kompositionen von deutschen Barockmeistern wie Georg Philipp Telemann, Vincent Lübeck und Johann Sebastian Bach kamen dabei ebenso zu Gehör wie seltener gespielte Werke ihrer Zeitgenossen Jean-Baptiste Loeillet, Alessandro Scarlatti aus Italien und dem englischen Organisten John Alcock. Zwei Choralbearbeitungen von Max Reger spannten schließlich den Bogen zum 19. Jahrhundert.

Herausragend war das bekannte Choralvorspiel für Trompete und Orgel "Jesus bleibt meine Freude". Erfreulich, dass sich das disziplinierte Publikum an die eingangs vorgetragene Bitte der Künstler hielt, zwischen den einzelnen Stücken nicht zu applaudieren - auch wenn es vielen "in den Fingern gejuckt haben dürfte".

Dafür entlud sich die Begeisterung dann am regulären Ende des Konzerts in umso heftigerem Applaus. Die vier Zugaben genossen die knapp 1.000 Zuhörer in der restlos ausverkauften Lutherkirche im Stehen - alle den Künstlern auf der Empore zugewandt.

Rheingau Echo vom 16.8.2012