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Abiturienten der Rheingauschule betreuen Behinderte im Sportunterricht PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von: Wiesbadener Tagblatt   
Montag, den 12. Dezember 2011 um 21:49 Uhr

Gemischter Gruppensport in einem Verein sieht keinen Deut anders aus als das lebhafte Treiben in der Rheingauschule. 28 Kinder und Jugendliche toben durch die Turnhalle. Ein paar Sportler schwingen sich auf dem Trampolin in die Höhe, einige verschnaufen beim kleinen Plausch auf der Bank und andere zurren sich die Gurte straff, um die beeindruckende Kletterwand zu bezwingen. Im Oberstufenkurs „Klettern und Paddeln“ ist einiges los, und zwar nicht nur in sportlicher Hinsicht. Seit den Herbstferien betreut jeder der 14 Abiturienten ein behindertes Kind im Unterricht. „Ein Projekt, das so wohl einmalig sein dürfte“, sagt Andel Glock, Trainingsleiterin der Turngemeinde Rüdesheim.

Schüler teilen Kletterwand
Zu Beginn des Schuljahres hatten die Abiturienten im Sportunterricht nichts als die bunten Noppen der acht Meter hohen Kletterwand und ein paar Boote in Aussicht. Die Boote bleiben, aber die Kletterwand teilen die Schüler für zwei Monate mit behinderten Kindern aus Einrichtungen der Umgebung. Der Verein entwickelte die Idee in seiner integrativen Abteilung. Mit Sportlehrer Daniel Bagus, selbst Mitglied der Turngemeinde, war schnell ein passender Kooperationspartner gefunden.

Blieb nur noch, die Schüler der Rheingauschule davon zu überzeugen, Zeit an der begehrten Kletterwand abzutreten. Schließlich sollte sich die Teilnehmerzahl auf einen Schlag verdoppeln und mehr als fünf Kletterer dürfen nicht gleichzeitig an die Wand. „Aber die Schüler waren sofort offen für das Projekt“, erinnert sich Bagus.

Nervösität in erster Stunde
Jeder einzelne Teilnehmer hat ein behindertes Kind unter seine Fittiche genommen. „Es war schon etwas ungewohnt, in den Unterricht zu gehen und selbst Betreuer zu sein“, gibt Kathrin Schneider zu. Die Nervosität der ersten Stunde sei bei allen aber schnell verflogen. Egal ob behindert oder nicht, neue Menschen zu treffen sei immer eine Überraschungspackung, sagt die 19-Jährige. Deshalb spiele Erfahrung im Umgang mit Behinderten wohl kaum eine Rolle. Die Gruppe ist für Kathrin inzwischen eine feste Einheit, der Schützling eine junge Freundin.

„Die Gruppe ist tatsächlich wahnsinnig schnell zusammen gewachsen“, bestätigt Glock. Das ist kein Zufall: Im Vorfeld haben sich die Trainingsleiterin und der Sportlehrer beraten und die Zweiergespanne nach Persönlichkeit und Vorlieben zusammengestellt. Sportunterricht bleibt zwar Sportunterricht, „aber hier geht es nicht darum, die Kletterleistung zu verbessern“, so Bagus. Verantwortung zu übernehmen und eigenes Wissen weiterzugeben, sind die zentralen Themen.

Die Vorteile für die behinderten Kinder liegen auf der Hand, sagt Glock. Am wichtigsten sei, dass „Klettern ein Sport ist, der nur zusammen sicher bewältigt werden kann“. Jeder Einzelne könne von dieser Erfahrung nur profitieren. Eine Fortführung des Projektes ist geplant.

Wiesbadener Tagblatt vom 10.12.2011