„Wollen wir das lieber noch mal machen?“ Paulina Schlereth ist noch ein bisschen unsicher vor der Kamera und das ist auch nur zu verständlich. Die Schülerin der Geisenheimer Rheingauschule führt zum ersten Mal ein Interview und es geht um nicht weniger als einen Wettbewerbsbeitrag für den Hessischen Rundfunk. Eine wichtige Sache, denn mit einer guten Platzierung kann nicht nur die Klassenkasse ordentlich aufgebessert werden, auch das Thema ist für die Neuntklässler mehr als aktuell. „Schule oder Ausbildung“ hat die Klasse 9a ihren Film genannt. „Eine wichtige Entscheidung, die oft unreflektiert getroffen wird“, sagt „Politik und Wirtschaft“-Lehrer Jesse Nies.
Fünf Drehtage angesetzt
In einem siebenminütigen Film sollen sich die Schüler ihren Berufswünschen auseinandersetzen. Fünf Drehtage hat die 9a unter anderem für Gespräche mit Berufsberatern und Oberstufenschülern angesetzt, „eben allen, die bei dieser Entscheidung helfen können“, erklärt Jesse Nies. Am ersten Drehtag steht das fünfköpfige Team in der Johannisberger Kfz-Werkstatt von Oliver Plettner und baut routiniert seine Ausrüstung auf. Den Interview-Ernstfall haben die Schüler schließlich schon diverse Male geprobt.
Ein paar Stellproben und Tontests später steht der Kfz-Meister Rede und Antwort und seine Haltung ist deutlich: „Mit Abitur sind die Chancen deutlich größer.“ Oliver Plettner ist mit Leib und Seele Automechaniker. Das wäre er vielleicht auch mit Abitur geworden, aber „pure Faulheit“ hat ihn damals um die Chance gebracht, eventuell später Maschinenbau zu studieren. „Mit 16 Jahren sollte man noch keine Entscheidung für das Leben treffen müssen“, sagt Plettner, „schon deswegen sollten sich Jugendliche die Zeit nehmen“. Natürlich könne und solle nicht jeder Abitur machen, „aber über die Konsequenzen seiner Entscheidung sollte man sich im Klaren sein“.
„Manche brauchen ganz einfach kein Abitur“, sagt Hannes Wolf. Einige Mitschüler wüssten schon ganz genau, wohin ihr Berufsweg führen soll, aber das seien bislang die wenigsten. Der 14-Jährige wird schon bald ein Praktikum in der Werkstatt von Plettner antreten und hat den Drehtag organisiert. Hannes möchte eigentlich „etwas Künstlerisches“ studieren und plant sein Abitur fest ein. Auf den ersten Einblick in die Berufswelt ist Hannes aber trotzdem gespannt. Vielleicht steckt in ihm ja auch ein Auto-Hobbytüfftler, wie in seinem Vater, einem Kunden von Oliver Plettner. „Das will ich in jedem Fall ausprobieren“, sagt der Rheingauschüler und hat den Drehtag genutzt, um sich gründlich in der Werkstatt umzuschauen. Am Schlimmsten wäre es für Hannes, wenn er nicht selbst gelegentlich zum Werkzeug greifen dürfte, natürlich unter strenger Aufsicht: „Jedenfalls habe ich keine Lust, nur rumzusitzen“.
Nick Bohn hat noch keine Ahnung, was er mit dem Rest seines Lebens anstellen soll. Sein Praktikum wird er in einem Malerbetrieb verbringen. „Ich bin für alles offen“, sagt der 15-Jährige. Sollte sich der Beruf des Malers und Tapezierers nicht sofort als Volltreffer herausstellen, will Nick die Oberstufe besuchen. „Da kann ich gezielter die Fächer auswählen, die mich interessieren und dann weiß ich auch, was ich machen will“, glaubt Nick. Vielleicht helfen auch die Dreharbeiten bei der Entscheidungsfindung. Zusammen mit Paulina gehört Nick zum Interview-Team und macht seine Sache ziemlich gut. Auch das Zusammenspiel mit dem Kamera-Team von Hendrik Rauthenberg und Christoph Baumgarten funktioniert hervorragend. Vor allem, weil sich Nick auffällig oft mit der Perspektiveinstellung beschäftigt.