Start Archiv - Presse "Unendliche Demütigung" im Netz
"Unendliche Demütigung" im Netz PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von: Wiesbadener Kurier   
Donnerstag, den 21. Januar 2010 um 12:40 Uhr

INTERNET: Jugendkoordinatorin der Polizei warnt vor Cyber-Mobbing und elektronischem Exhibitionismus

Mobbing gab es schon, als das Wort noch gar nicht bekannt war. Früher stand eine Gruppe auf dem Pausenhof zusammen und lästerte über einen anderen, erinnerte Petra Kain bei einem Elternabend in der Rheingau-Schule in Geisenheim. Durch das Internet hat dieses Phänomen jedoch eine neue Dimension erreicht, warnte die Jugendkoordinatorin des Polizeipräsidiums Westhessen. "Cyber-Mobbing" heißt der Begriff. Mit Beispielen von wüsten Drohungen und Beschimpfungen sowie entstellten Fotos aus Online-Gemeinden dokumentierte die Expertin, welche Formen Anfeindungen haben können. Anders als früher erfährt davon nicht nur ein kleiner Kreis. "Das ist eine unendliche Demütigung", sagte Kain, denn gemobbt wird aus der Anonymität heraus und jeder kann es im Netz beobachten.

Dass bei "SchülerVZ" mindestens 160 Millionen Fotos eingestellt seien, bewertete die Kriminalhauptkommissarin ebenfalls kritisch. Mancher präsentiert sich nackt oder in peinlichen Situationen. Die Aufnahmen verbreiten sich unkontrolliert. Der "elektronische Exhibitionismus" könne böse Folgen haben: 60 Prozent der Personalchefs informierten sich im Netz über Bewerber.

Speziell die Eltern aus den Jahrgangsstufen 6 bis 8 waren zu Kains Vortrag über "Gefahren neuer Medien für Jugendliche" eingeladen. Die Jugendkoordinatorin wird sich in den nächsten Tagen den Achtklässlern widmen. Dass die Schüler dem Internet in aller Regel vertrauter sind als ihre Väter und Mütter, blieb außer Zweifel: "Die sind auf Seiten unterwegs, auf denen Sie nie surfen würden, weil sie gar nicht wissen, dass es sie gibt." Dennoch plädierte Kain nicht dafür, "Zuhause alle Stecker zu ziehen". Wachsamkeit sei aber nötig. Die Eltern sollten sich nicht auf Filtersysteme verlassen, die seien lediglich als "flankierende Maßnahme" sinnvoll und "können die Eltern nicht ersetzen". Wachsamkeit sei bei Chatrooms geboten, wenn unbekannte Minderjährige nach persönlichen Daten fragten. Umfragen belegten, dass die Hälfte aller Jugendlichen von Versuchen zu sexueller Kontaktaufnahme auf diesen Plattformen betroffen gewesen seien. Häufig steckten wohl Erwachsene dahinter, dass bei "SchülerVZ" der Zugang nur durch eine "Einladung" möglich ist, lasse sich umgehen. Besondere Seiten, die zum Beispiel Magersucht verherrlichen und Spielsucht, thematisierte Kain weiterhin. In Suizid-Foren seien 15- bis 17-Jährige am stärksten vertreten.

Als "mega eklig" und für Kinder verstörend bezeichnete sie "Snuff-Videos" mit Hinrichtungen und Folterungen. Die Fachfrau machte deutlich, dass Beleidigungen und Verstöße gegen das Persönlichkeitsrecht im Internet strafbar sind und "Eltern haften für ihre Kinder", etwa bei illegalen Downloads.

Wiesbadener Kurier vom 21.1.2010