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Zeitzeugenbericht mit Thomas Mahler PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von: Martin Schunk   

zeitzeugen

 

 

 

 

Wie eine „Bierlaune“ dem Westdeutschen Thomas Mahler 1987 eine zweijährige Haftstrafe in der DDR einbrachte.

-ein Zeitzeugengespräch in einem Geschichts-Grundkurs der Rheingauschule-

 

Fast auf den Tag genau vor 26 Jahren änderte sich das Leben des Jurastudenten Thomas Mahler aus Wiesbaden schlagartig.

Mit seiner Pfadfindergruppe befand sich der damals 31 jährige über das Maiwochenende auf einem Kurztrip in Westberlin. Den 2. Mai verbrachte die Gruppe in Ostberlin.

Am Abend kam man mit Jugendlichen ins Gespräch und auf die Idee, dem ostdeutschen Jugendlichen Frank, der Thomas Mahler sehr ähnlich sah, mit Mahlers Ausweis und dessen Tagesvisum an Mahlers statt ausreisen zu lassen.........

Der erste Teil des Planes funktionierte sogar, doch als Thomas Mahler wenige Stunden nach der Gruppe am Bahnhof Friedrichsstraße erschien und vorgab, seinen Pass verloren zu haben, wurde er sofort in Gewahrsam genommen und in einem Kellerraum fast 24 h lang verhört.

Anschließend brachte man ihn in eine U-Haftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR in Berlin Pankow. Dort wurden die Verhöre fortgesetzt. Einige Zeit später, wurde ihm mitgeteilt, dass nach §123 StgB der DDR ein Strafverfahren wegen „Menschenhandels“ gegen ihn eröffnet werde. Herr Mahler wurde im folgenden Prozess zu 2 Jahren und 3 Monaten Freiheitsentzug verurteilt und in die Haftanstalt Berlin Rummelsburg verlegt.zeit11

Eindrücklich schilderte Herr Mahler dem Geschichts-Grundkurs die Verhörmethoden des MfS (Ministerium für Staatssicherheit) und die Haftbedingungen. Am schlimmsten aber sei es für ihn gewesen, sozusagen über Nacht, vom selbstständig denkenden und handelnden Subjekt zum völlig fremdbestimmten Objekt gemacht zu werden; denn nach seinem Rechtsverständnis hatte er ja keine Straftat begangen. Die Kontakte zur Anwaltskanzlei Vogel und zu Mitarbeitern der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik seien für ihn in dieser Zeit eine sehr wichtige psychische Unterstützung gewesen.

Im November 1987 wurde Herr Mahler im Rahmen einer Generalamnestie anlässlich der Reise Erich Honeckers in die Bundesrepublik entlassen. zeit33Auf die Nachfrage, ob sich an seiner politischen Haltung nach seiner Haftzeit etwas verändert habe, antwortete Mahler, dass in einer gelebten Demokratie mit einem breiten bürgerlichen Engagement totalitäre Tendenzen keine Chance hätten.

Selbsttätiges Handeln und bürgerliches Engagement seien für ihn deshalb zur Lebensmaxime geworden.

Der Kontakt zu Frank, dem Herr Mahler damals die Freiheit ermöglichte, besteht heute nicht mehr. Mahler erfuhr noch, dass Frank in Westberlin Job und Unterkunft fand und so seine Haftzeit für ihn einen Sinn bekam.zeit22

 

 

An dieser Stelle noch einmal ein herzliches Dankeschön an Herrn Mahler, an die Stiftung der Gedenkstätte Hohenschönhausen (Berlin), die mit der Zeitzeugenbörse und der Übernahme der Formalitäten solche Gespräche überhaupt erst ermöglicht und an die äußerst interessierten und kritischen Schülerinnen und Schüler meines Grundkurses, die bald ihr Leben in Eigenverantwortung werden meistern müssen.

 

Martin Schunk

Zuletzt aktualisiert am Dienstag, den 16. Dezember 2014 um 15:25 Uhr